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Die DSGVO und Videoüberwachung – das Urteil des Bundesarbeitsgerichts zur Verwertung und Speicherdauer von Videoaufzeichnungen
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied mit dem Urteil vom 23.08.2018 nun, ob auch ältere gespeicherte Videoaufzeichnungen noch verwertbar sind.
Der Ausgangsfall
Der Betreiber eines Tabak- und Zeitschriftenhandels überwachte seine Geschäftsräume zum Zweck des Eigentumsschutzes. Im August 2016 wertete der Betreiber die Videoaufzeichnungen aus, nachdem ihm ein Fehlbestand bei den Tabakwaren auffiel. Es zeigte sich, dass im Februar 2016 die Angestellte an zwei Tagen die Einnahmen nicht in die Registrierkasse legte und somit kündigte der Betreiber das Arbeitsverhältnis fristlos, woraufhin die Angestellte klagte.
Wo liegt nun das Problem?
Es stellt sich die Frage, ob nach einem so langen Zeitraum die Videoaufzeichnungen überhaupt noch gespeichert werden dürfen bzw. als Beweis verwertet werden dürfen.
Das Urteil des BAG
In den Vorinstanzen erhielt die Angestellte recht, dass die Videoaufnahmen nach einem so langen Zeitraum nicht mehr als Beweis dienen. Das Landesarbeitsgericht ist der Auffassung, dass die Videoaufzeichnungen bereits vor dem 1. August gelöscht hätten werden müssen.
Das BAG ist da anderer Meinung: „Wenn es sich um eine rechtmäßige offene Videoüberwachung gehandelt habe, wäre die Verarbeitung und Nutzung der einschlägigen Bildsequenzen zulässig gewesen und hätte somit auch nicht die Persönlichkeitsrechte der Angestellten verletzt. Der Tabakladen Betreiber wäre auch nicht zur sofortigen Auswertung des Bildmaterials verpflichtet, sondern erst, wenn er einen Anlass dafür sieht.“
Jetzt kommt es darauf an, ob die Videoüberwachung rechtmäßig war, was von den Vorinstanzen geprüft werden muss.
Dieses Urteil bezieht sich zwar noch auf die alte Fassung des BDSG, wäre aber, sofern die Videoüberwachung offen und rechtmäßig ist, auch mit der DSGVO vereinbar laut BAG.
Ich möchte meine Geschäftsräume mit einer Videoüberwachung ausstatten – wie muss ich vorgehen, damit ich DSGVO-konform bin?
Seit Inkrafttreten der DSGVO herrscht unberechtigterweise eine Hysterie mit vielen Fehlinformationen. Was darf ich noch tun? Was ist noch erlaubt? Das Thema Videoüberwachung, vor allen in öffentlich zugänglichen Bereichen, wird immer wieder stark diskutiert.
Ich möchte Ihnen hier zusammengefasst aufzeigen, welche Gedanken Sie sich zum Thema Videoüberwachung machen müssen und was Sie generell als Entscheidungsgrundlage betrachten müssen.
Videoüberwachung DSGVO – konform
Auf die folgenden Punkte gehe ich im Anschluss noch etwas detaillierter ein.
- Öffentlich zugänglicher Bereich oder nicht öffentlich zugänglicher Bereich
- Grundsätze seitens der DSGVO bzw. BDSG – neu
- Grund der Videoüberwachung und Alternativen
- Gestaltung der Videoüberwachung
- Technik
- Bereiche
- Zeitraum
- Festlegung der Speicherdauer
- Transparenz gegenüber betroffenen Personen
- Arbeitnehmer
- Kunden
HINWEIS: Es handelt sich hierbei um keine Rechtsberatung, sondern lediglich um eine grundsätzliche Information. Es muss immer der Einzelfall betrachtet werden, ob die Videoüberwachung DSGVO konform ist.
Gesetzliche Grundlage
Kurz zur Info: Das Thema der Videoüberwachung wird nicht explizit in der DSGVO behandelt, sondern wird in § 4 BDSG – neu aufgegriffen. Was bedeutete dies nun? Ihre Videoüberwachung muss dennoch DSGVO – konform gestaltet werden, aber unser Gesetzgeber hat dieses „Lücke“ in der DSGVO mit dem § 4 BDSG – neu geschlossen.
Öffentlich zugänglicher Raum und nicht öffentlicher zugänglicher Raum
Vorab müssen wir unterscheiden, ob Sie die Videokameras in einem öffentlich zugänglichen Bereich oder nicht öffentlichen zugänglichen Bereich anbringen möchten.
HINWEIS: Ein nicht öffentlicher Bereich liegt vor, sofern nur ein bestimmter Personenkreis Zutritt zu den Räumlichkeiten hat (z.B. Mitarbeiter zu den Büros, Mieter etc.)
Beispiele für nicht öffentlich zugängliche Bereiche
- Büros
- Produktionsbereiche
- Private Wohnung
- Treppenhäuser in Mietshäusern
Beispiele öffentlicher zugänglicher Raum
- Geschäftsräume mit Publikumsverkehr (Standardfall)
- Ämter / Behörden
Kritische bzw. verbotene Videoüberwachung in folgenden Bereichen
- Treppenhäuser in Mietshäusern
- Sozialräumen / Pausenräumen der Mitarbeiter
- Umkleiden (in Geschäften / Freibädern etc.)
- Toiletten
- Gastronomie
Der Standardfall wird meistens bei der Überwachung der Geschäftsräume mit Publikumsverkehr sein.
Grundsätze der DSGVO bzw. BDSG-neu
Bevor Sie überhaupt mit der Anbringung von Videokameras beginnen können, müssen jedoch ein paar wichtige Grundsätze beachtet werden, die leider nicht umgänglich ist:
- Interessensabwägung gegenüber dem Betroffenen
- (ggf.) Datenschutzfolgeabschätzung
Dies ist nur eine kleine Auswahl der wichtigsten Punkte bezüglich der Videoüberwachung. Eine Orientierungshilfe mit einer Checkliste des Düsseldorfers Kreis verlinke ich gerne. (Hinweis: diese Checkliste beschäftigt sich zwar mit den Fragen, führt aber nicht automatisch zur Zulässigkeit der Videoüberwachung und wurde noch nicht für das neue BDSG aktualisiert)
Interessensabwägung
Eine Interessenabwägung kann man sich wie eine Pro- und Kontra-Liste für beide Parteien vorstellen. Welches berechtigte Interesse hat der Inhaber, um eine Videoüberwachung zu begründen? Welche Argumente sprechen für eine Videoüberwachung und welche dagegen? Welche Gefährdungen ergeben sich für betroffene Personen? Welche gesetzlichen Vorschriften überwiegen?
Das Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Grundgesetz ist eines der höchsten und schutzwürdigsten Grundrechte, die es gibt.
Beispiel Interessensabwägung zur Videoüberwachung
Gründe | Betroffener (wer wird aufgezeichnet? | Risiken | Gesetzliche Grundlage |
Eigentumsschutz | Kunden Mitarbeiter | Überwachung und Erkennung der Betroffenen Verletzung des Persönlichkeitsrechts | Art. 2 GG Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO, § 4 Abs. 1 Nr. 3 BDSG-neu |
Vermeidung von Straftaten | Kunden Mitarbeiter | Überwachung und Erkennung der Betroffenen Verletzung des Persönlichkeitsrecht | Art. 2 GG Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO, § 4 Abs. 1 Nr. 3 BDSG-neu |
Dies soll jetzt jedoch nicht bedeuten, dass die Videoüberwachung überhaupt nicht DSGVO-konform sein kann, da das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen immer überwiegt. In der Praxis werden Videoüberwachungen zum Schutz des Eigentums oder zur Vermeidung von Straftaten eingesetzt und auch akzeptiert, wenn man sich an ein paar Spielregeln hält.
Datenschutzfolgenabschätzung
Zusätzlich zur Interessenabwägung muss eine Datenschutzfolgenabschätzung (DSFA) erfolgen, wenn ein hohes Risiko für die Rechte und Freiheiten von natürlichen Personen besteht und eine systematische umfangreiche Überwachung öffentlich zugänglicher Bereiche stattfindet (Art. 35 Abs. 3 lit. c DSGVO).
Die Datenschutzkonferenz (DSK) hat eine Positivliste für Datenschutzfolgeabschätzungen veröffentlicht. Das heißt, in dieser Übersicht finden Sie Verfahren, die unbedingt einer Datenschutzfolgeabschätzung bedürfen. Videoüberwachung ist hier explizit nicht aufgelistet. Trotzdem sollten Sie das Thema beachten und eine DSFA vornehmen, wenn sich aus der Videoüberwachung hohe Risiken für den Betroffenen ergeben können.
Beispiele für hohe Risken
- Diskriminierung,
- Identitätsdiebstahl,
- Profilerstellung durch Bewertung persönlicher Aspekte,
- Rufschädigung,
- v.m
Für weitere Informationen für die Risiken verlinke ich das Kurzpapier Nr. 18 der DSK: Die Datenschutzkonferenz (DSK) hat eine Positivliste für Datenschutzfolgeabschätzungen veröffentlicht
Grund der Videoüberwachung und Alternativen
Zunächst müssen Sie sich die Frage stellen, warum Sie Ihre Geschäftsräume videoüberwachen wollen. Gibt es vielleicht Alternativen („mildere Mittel“) zur Videoüberwachung? Diese Begründung entscheidet darüber, ob die Videoüberwachung gegen die DSGVO verstößt.
In § 4 BDSG – neu gibt der Gesetzgeber bereits vor, wann die Videoüberwachung zulässig ist und zwar,
- zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen (wobei dies in unserem Fall nicht zutrifft),
- zur Wahrnehmung des Hausrechts oder
- zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke
Beispiele für Alternativen zur Videoüberwachung
- Alarmanlage
- Ladendetektiv
- Nachwächter
- Wertvolle Gegenstände nach Ladenschluss im Tresor aufbewahren
- Zutrittsberechtigungen einschränken und nur bestimmten Mitarbeitern gewähren
Natürlich ist abzuwägen, ob es organisatorisch und finanziell umsetzbar ist, dass weiteres Personal z.B. für den Schutz vor Straftaten eingestellt wird.
Beispiele für berechtigtes Interessen bei der Videoüberwachung
- Vermeidung von Straftaten (Einbruch, Diebstahl)
- Eigentumsschutz
- Schutz von Leben und Gesundheit
Ziemlich wahrscheinlich wollen Sie vermeiden, dass Straftaten begangen werden. Sie möchten Ihr Eigentum schützen. Sollte dennoch der Fall z.B. eines Diebstahls oder Einbruches eintreten, wäre es wünschenswert einen Videobeweis vorlegen zu können.
Gestaltung der Videoüberwachung
Sie sollten sich bereits bei der Anschaffung von Videokameras Gedanken um den Datenschutz machen und auf einen „eingebauten Datenschutz“ (Privacy by design) bachten.
Beispiele für den eingebauten Datenschutz
- Keine Schwenkfunktion
- Keine Tonaufnahme! (wird strafrechtlich verfolgt)
- Keine automatische Gesichtserkennung
- Keine Zoomfunktion
Des Weitern ist auch zu klären, in welchen Bereichen die Überwachung stattfinden soll und in welchem Zeitraum.
Beispiele für Überwachungsbereiche
- Eingangsbereich
- Geschäftsraum
- Parkplatz, welcher zum Grundstück gehört
ACHTUNG! Überwachungen der öffentlichen Straße, Mitarbeiterräumen bzw. Sozialräumen und im Gastronomiebereich sind sehr kritisch!
In Österreich wurde im September 2018 die erste DSGVO-Strafe gegen einen Lokalbetreiber verhängt. Dieser überwachte unerlaubt mit seiner Videokamera einen großflächigen Teil des öffentlichen Gehweges und wurde nun mit einer Strafe in Höhe von 4.800,00 € belangt.
Machen Sie sich Gedanken über den Zeitraum der Videoüberwachung. Würde es beispielsweise ausreichen, die Videoüberwachung nur nach Ladenschluss zu aktivieren? Häufig werden die Geschäftsräume auch zu den üblichen Öffnungszeiten überwacht, was wahrscheinlich gar nicht nötig wäre.
Festlegung der Speicherdauer
Hier gibt es nun unterschiedliche Ansichten. Die DSK gibt eine Speicherdauer von 48 Stunden vor.
Ein Datenschutz-Kollege hat ebenfalls bezüglich der Speicherdauer eine Anfrage bei der bayerischen Aufsichtsbehörde (BayLDA) eingereicht und folgende Antwort erhalten:
Die deutschen Datenschutzaufsichtsbehörden sind sich einig, dass die zulässige Speicherdauer von Aufnahmen von Videoüberwachungskameras im nicht-öffentlichen Bereich (also in der Privatwirtschaft) jedenfalls im Normalfall 48 Stunden – max. 72 Stunden – nicht überschreiten darf. Denn innerhalb dieser Zeitspanne ist es jedenfalls in den meisten Fallgestaltungen durchaus möglich und zumutbar, die Aufnahmen durchzusehen dahingehend, ob dort „Relevantes“ aufgezeichnet wurde; diejenigen Aufnahmepassagen, in denen keine „interessanten Vorkommnisse“ zu sehen sind, sind dann umgehend zu löschen.
Antwort des BayLDA zur Speicherfrist von Videoaufnahmen
Das bedeutet, dass eine max. Speicherdauer von 72 Stunden angedacht werden kann.
Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg entschied, dass auch eine Speicherdauer von 10 Tagen zulässig ist.
Hier komme ich wieder auf das Urteil des BAG zurück. Das BAG ist der Auffassung, dass es erst bei einem Anlass zur Auswertung kommen muss. Dies würde eine weitaus längere Speicherdauer ermöglichen. Allerdings gilt trotzdem der Grundsatz der Datensparsamkeit und der Zweckbindung. Sofern der Zweck wegfällt, ist auch die Aufbewahrung des Videomaterials zu löschen.
Meiner Meinung nach ist daher schwierig zu sagen, welche Speicherdauer nun konkret festgelegt werden soll. Es kommt immer auf den Einzelfall an und wie die Sichtung sich organisatorisch im Geschäftsalltag einbinden lässt.
Beispiel:
Sie überwachen Ihre Geschäftsräume, um Straftaten vorzubeugen. Sollte innerhalb des festgelegten Zeitraums keine Straftat erfolgen, sind Sie verpflichtet das Videomaterial zu löschen. Im Falle einer Straftat, darf das Videomaterial natürlich länger aufbewahrt werden, da dies zu Beweiszwecken dient.
Transparenz gegenüber den Betroffenen
Wichtig ist, dass die betroffenen Personen, seien es Arbeitnehmer oder die Kunden, nicht in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt werden. Es ist eigentlich unvermeidbar, dass bei Kundenverkehr auch die Mitarbeiter mit überwacht werden.
Wie ist die Handhabung?
Mitarbeiter
Eine verdeckte Überwachung der Mitarbeiter verstößt gegen das Persönlichkeitsrecht und ist nur in ganz speziellen Fällen zulässig. Dies entschied das BAG bereits imJahr 2012. Problematisch könnte auch sein, wenn meistens die gleichen Arbeitnehmer überwacht werden. Durch die bereits erfolgte Interessenabwägung und die Zweckbindung, stellt die Aufzeichnung der Mitarbeiter eine Nebenfolge dar, die das Interesse des Arbeitgebers überwiegen lässt z.B. zum Schutz des Eigentums und Vermeidung von Straftaten. Die Informationspflicht ist einzuhalten, sofern auf dem Videomaterial die darauf aufgezeichnete Person zugeordnet werden kann.
Kunde
Beim Kunden ist es ähnlich wie bei den Mitarbeitern. Der Kunde darf nicht in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt werden. Der Kunde muss auf jeden Fall darauf hingewiesen werden, dass die Räumlichkeiten videoüberwacht und muss persönlich informiert werden, sofern die Personen zugeordnet werden kann.
Hinweisschilder
Es gibt unterschiedliche Ausführungen von Hinweisschildern. Aus Ihrer Verantwortlichkeit heraus, ergibt sich, wie bereits erwähnt, die Hinweis- und Transparenzpflicht.
Welche Mindestanforderungen eine solches Hinweisschild haben sollte, fasst die DSK in ihrem Kurzpapier Nr. 15 in folgenden Punkten zusammen:
- Umstand der Beobachtung – Piktogramm, Kamerasymbol.
- Identität des für die Videoüberwachung Verantwortlichen – Name einschl. Kontaktdaten (Art. 13 Abs. 1 lit. a DS-GVO)
- Kontaktdaten des betrieblichen Daten-schutzbeauftragten – soweit benannt, dann aber zwingend (Art. 13 Abs. 1 lit. b DS-GVO).
- Verarbeitungszwecke und Rechtsgrundlage in Schlagworten (Art. 13 Abs. 1 lit. c DS-GVO).
- Angabe des berechtigten Interesses – soweit die Verarbeitung auf Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DS-GVO beruht (Art. 13 Abs. 1 lit. d DS-GVO).
- Dauer der Speicherung (Art. 13 Abs. 2 lit. a DS-GVO).
- Hinweis auf Zugang zu den weiteren Pflichtinformationen gem. Art. 13 Abs. 1 und 2 DS-GVO (wie Auskunftsrecht, Beschwerderecht, ggf. Empfänger der Daten).
Beispiel für ein Hinweisschild
Die Abbildung zeigt, wie ein DSGVO-Hinweisschild für die Videoüberwachung korrekterweise aussehen müsste, damit Sie Ihrer Informationspflicht nach Art. 13 DSGVO gerecht werden.
Zusammenfassung
Abschließend fasse ich nochmal alle Punkte zusammenfassen. Für die Vorgehensweise bei einer Planung für eine DSGVO-konforme Videoüberwachung ist folgendes zu beachten:
- Alternativen suchen und ggf. diese zuvor umsetzen
- Interessenabwägung und anschließender Folgeabschätzung vornehmen
- Aufnahme in das Verfahrensverzeichnis und in den Informationspflichten mit angeben
- Technische und organisatorische Maßnahmen zum Schutz der Betroffenen definieren und umsetzen
- Speicherdauer festlegen und bei Zweckerreichung das Bildmaterial löschen
- Hinweisschilder anbringen z.B. im Eingangsbereich
Fazit
Zum aktuellen Zeitpunkt ist meines Erachtens die Videoüberwachung vereinbar mit der DSGVO, sofern einzelne Punkte beachtet und eingehalten werden. Über Fragen und eine Diskussion freue mich mich in den Kommentaren zum Artikel.
Update 03.2019: Was müssen öffentliche Stellen bei der Videoüberwachung beachten?
Dieser Frage widmet sich der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Baden-Württemberg. In diesem Dokument erläutert er ausführlich, welche Voraussetzungen für die Behörden / Ämter und andere öffentliche Stellen bei der Videoüberwachung zu berücksichtigen sind.
Bitte beachten Sie, dass der Datenschutzbeauftragte sich auf § 18 LDSG (Landesdatenschutzgesetz Baden-Württemberg) stützt. Es gilt daher auch wieder, den Einzelfall und die Landesdatenschutzgesetze z.B. BayDSG zu prüfen.
Update vom 07.05.2019 – Drohneneinsatz
Wer von Ihnen besitzt eine Drohne und lässt diese regelmäßig steigen? Die Datenschutzkonferenz (DSK) nimmt Stellung zum Thema Drohnen und wie diese datenschutzrechtlich einzuordnen sind. Kurz zusammengefasst ist zum Thema Drohnen folgendes festzuhalten:
- Drohnen mit ausgestatteten Kamers verarbeiten Daten im Sinne der Videoüberwachung
- Neben der DSGVO ist auch noch § 21 b Abs. 1 Nr. 2 LuftVO zu beachten
- werden Drohnen zu gewerblichen und geschäftlichen Zwecken eingesetzt ist eine Rechtsgrundlage nach Art. 6 Abs. 1 DSGVO zu definieren – wird die Rechtsgrundlage auf ein berechtigtes Interesse gestützt (Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO) ist eine Interessensabwägung durchzuführen
- auch ist der Zweck des Drohneneinsatzes zu definieren
- Drohnenflieger sind dazu angehalten keine Personen ohne ihre Einwilligung zu filmen und das Persönlichkeitsrecht zu wahren
Sofern Drohnen nicht DSGVO-konform eingesetzt werden, droht ein Bußgeld. Auch die Betroffenen haben die Möglichkeit den Drohnenflieger auf zivilrechtlichen Weg zu verklagen.
Das bedeutet auch, dass Sie als Privatperson nicht über die Häuser und Gärten Ihrer Nachbarn fliegen, da schon in § 21 b Abs. 1 Nr. 7 LuftVO die Aufnahme über Wohngrundstücken verboten ist, sofern keine Einwilligung vorliegt.
Drohnenabschuss unter Umständen erlaubt
Darf ich denn eine Drohne abschießen, wenn diese unerlaubterweise über mein Grundstück fliegt?
Ein Mann bemerkte eine Drohne über seinem Grundstück und schoss diese mit einem Luftgewehr ab. Der Drohnenpilot wollte den Schaden an der Drohne ersetzt haben und verlangte Schadenersatz.
Das Amtsgericht Riesa urteilte jedoch zugunsten des Betroffenen bzw. des Schützens. Der Schütze konnte davon ausgehen, dass Fotos bzw. Videoaufnahmen angefertigt wurden und somit sein Persönlichkeitsrecht und das seiner Kinder verletzt wird.
Das Gericht prüfte die Verhältnismäßigkeit und ob es noch andere Möglichkeiten zum Abschuss gegeben hätte. Die Flucht ins Haus oder die Kontaktierung des Besitzers der Drohne wären zu diesem Zeitpunkt nicht verhältnismäßig gewesen.
Der Mann durfte sich somit mittels des Abschusses nach § 229 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) wehren.
Das bedeutet jedoch nicht, dass wahllos auf Drohnen geschossen werden darf! Wie immer ist der Einzelfall zu prüfen, ob der Drohnenflug bzw. daraus resultierenden Videoaufnahmen und Bilder zulässig sind.
Update 02.2020: Orientierungshilfe für öffentliche Stellen in Bayern
Auch der bayerische Landesdatenschutzbeauftragte Dr. Thomas Petri veröffentlichte im Februar 2020 eine Orientierungshilfe für öffentliche Stellen zum Thema Videoüberwachung.
Insbesondere werden vor allem die Voraussetzungen des Art. 24 BayDSG beleuchtet und erläutert. Anhand des Dokuments erhalten bayerische öffentliche Stellen eine Vorgehensweise zum Thema der Videoüberwachung.
Update 07.2020: Orientierungshilfe durch nicht-öffentliche Stellen der DSK
Die DSK hat zu ihrem Kurzpapier Nr. 15 nochmals eine ausführliche Orientierungshilfe veröffentlicht.
Speicherdauer des Videomaterials
Bezüglich der Speicherdauer gab es in der Vergangenheit Unklarheit und Verunsicherungen. In der Orientierungshilfe sieht die DSK ebenfalls eine maximale Speicherdauer von 72 Stunden vor.
Des Weiteren werden vereinzelte Beispiele für eine begründete längere Speicherung mit an die Hand gegeben (z.B. während Betriebsurlaub, mehrtätige Feiertage). Interessent ist allerdings, dass eine längere Speicherfrist mit internen Arbeitsabläufen i.d.R. nicht zu begründen ist.
Update 12.2020: Bußgeld in Höhe von 10,4 Mio. € wegen unzulässiger Videoüberwachung
Das Unternehmen notebooksbilliger.de erhält ein Bußgeld aufgrund einer Überwachung der Mitarbeiter mittels einer Videokamera; ohne das eine Rechtsgrundlage vorlag.
Weiterhin waren auch Kunden in den Verkaufsräumen betroffen. Insbesondere wurden Bereiche gefilmt, die zum längeren Verweilen einluden, um die Geräte ausführlicher zu testen. Hier wurden die schutzwürdigen Interessen der Betroffenen verletzt.
Des Weiteren wurden die Aufnahmen 60 Tage, anstatt der vorhergesehenen max. 72 Stunden, gespeichert.
Die Begründung des Unternehmens beruft sich auf die Diebstahlprävention und Vermeidung von Straftaten. Die Aufsichtsbehörde kritisierte dies immens.
Die Videoüberwachung zur Straftatenvermeidung ist nur rechtmäßig, wenn ein begründeter Verdacht gegen eine konkrete Person vorliegt. In diesem Fall ist eine zeitlich begrenzte Überwachung möglich.
Mit diesem Bußgeld wurde ein neuer Rekord in Bezug auf unerlaubte Videoüberwachung ausgesprochen.
Dieser Fall zeigt auch, dass es hier auch auf die Einzelheiten z.B. Kamerawinkel etc..
Es ist daher dringend anzuraten, sich im Vorfeld konkrete Gedanken über den Einsatz einer Videokamera zu machen und vor allem „mildere Mittel“ vorher auszuschöpfen.
DSK-Kurzpapier Nr. 15
Quellen und weitere Informationen
- Bericht von Prof. Dr. Michael Fuhlrott zum BAG Urteil: https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/bag-2azr13318-videoaufnahmen-arbeitsplatz-beweisverwertung/
- Orientierungshilfe für Videoüberwachung des Düsseldorfer Kreis https://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/wp-content/uploads/2014/03/OH-VÜ-durch-nicht-öffentliche-Stellen.pdf
- Checkliste für Datenschutzfolgeabschätzung von datenschutz.org Datenschutzfolgeabschätzung
- Kurzpapier Nr. 15 der DSK DSK in ihrem Kurzpapier Nr. 15
- Kurzpapier Nr. 18 der DSK DSK in ihrem Kurzpapier Nr. 18
- Hinweisschild nach Art. 13 DSGVO
- Salzburger Nachrichten, 19.09.2018: http://www.pressreader.com/austria/salzburger-nachrichten/20180919/281801399873241
Quelle Titelbild: Pixabay
FAQ zum Thema Videoüberwachung
Welche Regelungen gelten nach der DSGVO?
Es gelten unterschiedliche Regelungen für nicht-öffentliche und öffentliche Stellen.
Welche Regelungen gelten für nicht-öffentliche Stellen?
- Grundsätzlich ist Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO für nicht-öffentliche Stellen zu beachten
- Voraussetzungen: Wahrung des berechtigten Interesses des Verantwortlichen, sofern die Interessen der Betroffenen nicht überwiegen (Interessensabwägung)
- Nach Art. 2 Abs. 2 lit. c DSGVO findet die DSGVO keine Anwendung für natürliche Personen, die eine Videoüberwachung zu privaten Zwecken einsetzen
Welche weiteren Regelungen sind in Bezug auf die Videoüberwachung zu beachten?
- Eine Videoüberwachung aufgrund einer Einwilligung nach Art. 7 DSGVO kann wahrscheinlich nur in Einzelfällen erfüllt werden. Begründung: Das reine Betreten des erfassten Bereichs kann nicht als „eindeutige und bestätigte Handlung“ und informierte Einwilligung nach Art. 4 Nr. 11 DSGVO verwertet werden
- Die Verarbeitung von biometrischen Daten zur Identifikation ist nach Art. 9 Abs. 1 DSGVO grundsätzlich untersagt (z.B. Gesichtserkennung)
- Wird dennoch eine Videoüberwachung für die Identifikation oder Authentifizierung einer natürlichen Person eingesetzt werden, gelten hier enge Ausnahmetatbestände nach Art. 9 Abs. 2 DSGVO.
Welche weiteren formellen Anforderungen sind zu beachten?
- Dokumentation der Videoüberwachung im Verfahrensverzeichnis
- Ggf. ist eine DSFA durchzuführen, wenn die Videoüberwachung ein hohes Risiko für die Betroffenen zur Folge hat
- Vor allem ist diese insbesondere bei systematisch umfangreichen Überwachungen öffentlicher Bereiche durchzuführen
Welche inhaltlichen Voraussetzungen ergeben sich daraus für eine Videoüberwachung?
- Eine Prüfung nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO ist durchführen:
- Welches berechtigtes Interesse soll gewahrt werden?
- Ist die Videoüberwachung erforderlich? Gibt es Alternativen zur Videoüberwachung?
- Überwiegen die Interessen des Verantwortlichen gegenüber den Interessen des Betroffenen (Interessensabwägung)?
- Des Weiteren ist das „Drittinteresse“ zu berücksichtigen
- „Dritter“ können private als auch juristische Personen sein
In welchen Bereichen ist eine Videoüberwachung verboten?
- Nachbarschaftskontext
- Wohnungen
- Fitnessstudios / Fitness
- ärztliche Behandlungs- und Warteräume
- Sanitär- und Saunabereichen
Wie sind die Betroffenen über die Videoüberwachung zu informieren?
Die Betroffenen sind nach Art. 5 Abs. 1 lit. a und Art. 12 DSGVO zu informieren. Art. 13 Abs. 1 und 2 DSGVO fordern folgende Mindestanforderungen:
- Umstand der Beobachtung (Piktogramm, Kamerasymbol)
- Kontaktdaten des Verantwortlichen
- Kontaktdaten des Datenschutzbeauftragten
- Verarbeitungszweck
- Rechtsgrundlage in Schlageworten
- Angabe des berechtigten Interesse, wenn Verarbeitung auf Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO beruht
- Speicherdauer
- Hinweis auf Zugang für weitere Informationen
- Die weiteren Informationen sind dem Betroffenen leicht zugänglich zur Verfügung zu stellen (z.B. durch Aushang der Informationspflicht)
Wie lange dürfen die Aufnahmen gespeichert werden?
- Grds. unverzügliche Löschung, wenn Zweck erreicht wurde oder
- schutzwürdige Interessen der Betroffenen entgegenstehen
- Akzeptierte Speicherdauer: 48 Stunden
- Maximale Speicherdauer: 72 Stunden
Wie sieht es bei Videoüberwachung in Echtzeit aus?
Auch ohne Speicherung des Videomaterials stellt die Videoüberwachung eine teilweise automatisierte Verarbeitung darf und unterliegt ebenfalls den Anforderungen der DSGVO
Gilt dasselbe für die Videoüberwachung eines Grundstückes, bei dem auch öffentliche Bereiche betroffen sind, durch Privatpersonen?
Hallo Horst,
danke für deine Frage.
Dieses Thema wurde auch im aktuellen Tätigkeitsbericht des Bayerischen Landesamt für Datenschutzaufsicht behandelt.
Laut einem Urteil des Europäischen Gerichtshof (Rs. C-212/13) ist davon auszugehen, sofern die Videoüberwachung z.B. das Nachbarsgrundstück mit aufzeichnet von keiner persönlichen bzw. familiären Tätigkeit mehr die Rede und somit auch die private Videoüberwachung unter die DSGVO fällt.
Der Schutz des Eigentums und des Hausrechts fällt grundsätzlich unter dein berechtigtes Interesse als Grundstückseigentümer. Jedoch kann mit diesem Interesse nicht die Aufzeichnung von öffentlichen Gehwegen, Straßen und Nachbarsgrundstücken begründet werden.
Das bedeutet letztendlich, sofern nur das eigene Grundstück aufgezeichnet wird, unterliegt man nicht der DSGVO. Wird die Straße und öffentliche Bereiche mit aufgenommen werden die Grundfreiheiten der aufgezeichneten Personen verletzt.
Zur Information sende ich dir den Link für den Tätigkeitsbericht der Aufsichtsbehörde. Im Kapitel 19.2 (Seite 111) kannst du gerne diesen Punkt nochmals nachlesen. https://www.lda.bayern.de/media/baylda_report_08.pdf
Liebe Grüße
Jasmin
Hallo Jasmin,
vielen Dank für die übersichtliche Zusammenfassung. Mich würde interessieren, wie sich die Rechtslage ändert, wenn man eine Überwachung ohne Speicherung durchführt. Es werden also keine Daten zwischengespeichert, sondern die Überwachung stellt nur eine Live-Übertragung an einen anderen Ort dar. (Um von einem rückgelagerten Raum zu sehen, dass sich Kunden im Verkaufsraum befinden.) Zählen dann die gleichen Datenschutzbestimmungen inclusive. Kennzeichnungspflichten?
Vielen Dank.
Markus
Hallo Markus,
erst mal vielen herzlichen Dank für das tolle Feedback. Entschuldige bitte, dass ich mich erst heute melde, ich war letzte Woche im Urlaub 😉
Auch bei einer Live-Überwachung ändert sich eigentlich nichts an der Rechtslage und den Hinweispflichten. Die Kunden sind vor dem Betreten des Geländes bzw. des Verkaufsraumes auf die Videoüberwachung z.B. mittels eines Schildes hinzuweisen. Ich gehe davon aus, dass die Videoüberwachung zum Zweck der Vermeidung von Straftaten und zur Wahrung des Hausrechts durchgeführt wird. Werden bei erkannten Straftaten bzw. Vorfällen dennoch die Aufzeichnungen gespeichert?
Wenn ja, ist es empfehlenswert, in der Kennzeichnung mit dem beispielhaften Passus darauf hinzuweisen:
Das Videomaterial wird live übertragen und grds. nicht gespeichert. Eine Speicherung erfolgt nur bei erkannten Straftaten und Vorfällen und wird an die zuständige Strafverfolgungsbehörde weitergeleitet.
Ich hoffe, ich konnte dir deine Frage beantworten und bei weiteren Fragen freue ich mich auf deinen Kommentar.
Viele Grüße
Jasmin
Hallo Jasmin,
bei der Festlegung der Speicherdauer ist mir aufgefallen, dass du von 72 Stunden sprichst.
„…Hier gibt es nun unterschiedliche Ansichten. Die Empfehlung der Aufsichtsbehörde beläuft sich auf eine Speicherdauer von 72 Stunden.“
Laut Kurzpapier sind es 48 Stunden. „…sollte demnach grundsätzlich, wie bisher auch, nach 48 Stunden eine Löschung erfolgen.“ Wie kommst du auf 72 Stunden? Ich kann die Empfehlung der Aufsichtsbehörde – die du erwähnst – nicht finden. Bringst du Licht ins Dunkel? Lieben Dank vorab und Grüße A.
Hallo A,
vielen lieben Dank für deinen Kommentar.
Da hast du Recht, die offizielle Speicherdauer laut dem DSK-Papier spricht von 48 Stunden.
Gerne erläutere ich dir, aus welcher Quelle ich die Information habe.
Ein Datenschutz-Kollege hat diesbezüglich die Aufsichtsbehörde Bayern (BayLDA) kontaktiert. Ich zitiere hier die Antwort des BayLDA:
„[…] Die deutschen Datenschutzaufsichtsbehörden sind sich einig, dass die zulässige Speicherdauer von Aufnahmen von Videoüberwachungskameras im nicht-öf
fentlichen Bereich (also in der Privatwirtschaft) jedenfalls im Normalfall 48 Stunden – max. 72 Stunden – nicht überschreiten darf. Denn innerhalb dieser Zeitspanne ist es jedenfalls in den meisten Fallgestaltungen durchaus möglich und zumutbar, die Aufnahmen durchzusehen dahingehend, ob dort „Relevantes“ aufgezeichnet wurde; diejenigen Aufnahmepassagen, in denen keine „interessanten Vorkommnisse“ zu sehen sind, sind dann umgehend zu löschen. […]“
Dahingehend werde ich den Blogartikel noch ergänzen.
Vielen Dank für den Hinweis und liebe Grüße,
Jasmin